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Das Objekt und der Objekttyp im Sinne des Programmierers

Nun werden wir uns darauf vorbereiten, die OT/OB-Lib zur Erstellung eigener Speicherobjekttypen zu verwenden. Speicherobjekte waren Objekte, die dazu dienen, bestimmte Information - wie auch immer - zu sichern. Sie ändern ihren äußeren Zustand nicht selbständig, sondern nur auf Befehl.

Der Unterschied, der zwischen Variable und Objekt gemacht wurde, soll noch einmal verdeutlicht werden:

Eine Variable hat jederzeit genau einen konkreten Wert. Unter Umständen kann man diesen Wert beeinflussen. Ein Objekt hingegen hat nach außen hin verschiedene Attribute, die abstrakten Attribute. Hierbei handelt es sich also um verschiedene Werte. Diese Attribute kann man ebenfalls unter Umständen beeinflussen.

Es wurde erwähnt, daß der Variablentyp eine Bezeichnung für den Wertebereich von Variablen ist. Mit dem Begriff WORD verbindet man daher eine Stelle, die Werte zwischen -32768 und 32767 annehmen kann. Analog dazu ist der Objekttyp eine Bezeichnung für die Spezifikation des Objektes. Mit dem Begriff myword wurden eben beispielsweise Objekte verbunden, wie sie in dem vorangegangen Kapitel beschrieben wurden: WORD-Variablen mit Zugriffszähler.

Unter dem Objekttyp "Videokassette" könnte man daher alle Objekte zusammenfassen, die der folgenden Spezifikation genügen:

  • hat einen Titel, der gesetzt und ausgelesen werden kann
  • hat eine feste Gesamtspielzeit
  • hat eine Liste der aufgespielten Filme; es können Filme in die Liste eingetragen werden
    Ein Film habe dabei
    • einen festen Titel, der ausgelesen werden kann
    • eine feste Spielzeit, die ausgelesen werden kann
  • die noch freie Spielzeit kann ermittelt werden

Um Objekte diesen Typs im Programm nutzen zu können, muß einmal diese allgemeine Spezifikation umgesetzt werden.

Dazu wird die Implementation dieses Objekttyps in gewisse Teile unterteilt. Zur Beschreibung einer konkreten Implementation eines allgemeinen Speicherobjektes muß Folgendes angegeben werden:

  • der Typbezeichner (ein Name)
     
  • die konkreten Attribute (das sind die Speicherobjekte, die innerhalb des Objektes angebracht sind, um die nötigen Werte zu sichern)

    Anm.: Die konkreten Attribute in Speicherobjekten müssen nicht ausschließlich durch Speicherobjekte realisiert sein. Man kann ja zum Beispiel durchaus ein Speicherobjekt konstruieren, das seine Information in Wirklichkeit an einem entfernten Ort ablegt (etwa auf einem anderen Rechner in einem Netzwerk), und dazu innere Komponenten enthält, die selbständig aktiv sind, um die Verbindung zu diesem Ort aufrechtzuerhalten.
     
  • Konstruktor und Destruktor (das sind zwei Unterprogramme, die beschreiben, was beim Anlegen und beim Entfernen eines Objektes diesen Typs zu tun ist; z.B. können hier konkrete Attribute mit Werten vorbelegt werden)
     
  • die abstrakten Attribute (das sind die Zugänge von außen), bestehend aus:
     
    • Abfragefunktionen, mit denen der äußere Zustand des Objektes abgefragt und nicht beeinflußt werden kann
       
    • Operationen, mit denen der äußere Zustand des Objektes beeinflußt werden kann
       
  • eventuell lokale Abfragefunktionen und Operationen, die nicht von außen aufgerufen werden können (sie dienen als Unterprogramme für die Realisierung der abstrakten Attribute)
     

Hierzu kann man in etwa nach dem folgenden Schema vorgehen (zur Verdeutlichung wird das Beispiel in einer Pseudoprogrammiersprache mitvollzogen):

  • Man legt den Objekttyp fest, vergibt also einen Namen.
     
    TYPE videokassette
    
  • Man legt die konkreten Attribute fest. Das sind die "inneren" Speicher eines Objektes diesen Typs, sozusagen die lokalen Variablen. Zu jedem dieser Attribute gibt man den Typ an und wählt einen Attributnamen.
     
      STRING      titel
      ZAHL        gesamtspielzeit
      LISTE(FILM) filmliste
    

    Anm.: Der Typ FILM müßte noch festgelegt werden, und zwar in genau derselben Weise, wie es gerade mit dem Typ VIDEOKASSETTE geschieht.
     
  • Man legt fest, was beim Anlegen und beim Entfernen eines Objektes diesen Typs geschehen soll.
     
      EXPORT PROCEDURE new(ZAHL gesamtspielzeit)
        ' Gesamtspielzeit einmalig festsetzen
        LET videokassette.gesamtspielzeit=gesamtspielzeit
      RETURN
      EXPORT PROCEDURE free
      RETURN
    
  • Man definiert die Prozeduren und Funktionen, die von außen aufgerufen werden können (die abstrakten Attribute).
     
    Die Auskunftsfunktionen:
     
      EXPORT FUNCTION title
        RETURN videokassette.title
      ENDFUNC
      EXPORT FUNCTION film_get(ZAHL filmnummer)
        RETURN videokassette.filmliste.get(filmnummer)
      ENDFUNC
      EXPORT FUNCTION restspielzeit
        RETURN videokassette.gesamtspielzeit - videokassette.bespieltezeit
      ENDFUNC
    

    Die Operationen:
     
      EXPORT PROCEDURE title_set(STRING title)
        LET videokassette.title=title
      RETURN
      EXPORT PROCEDURE film_add(FILM new_film)
        @videokassette.filmliste.add(new_film)
      RETURN
    
  • Man definiert die Prozeduren und Funktionen, die nicht von außen aufgerufen werden können. Sie dienen als Unterprogramme für die Prozeduren und Funktionen von oben.
     
      FUNCTION bespieltezeit
        ZAHL  summe
        ZAHL  filmanzahl
        ZAHL  film
        summe := 0
        filmanzahl := videokassette.filmliste.elementanzahl
        FOR film := 1 TO filmanzahl
          summe := summe + videokassette.film_get(film).spielzeit
        NEXT film
        RETURN summe
      ENDFUNC
    ENDTYPE
    

So sähe das Ganze dann am Stück aus:

TYPE videokassette
  STRING      titel
  ZAHL        gesamtspielzeit
  LISTE(FILM) filmliste
  EXPORT PROCEDURE new(ZAHL gesamtspielzeit)
    ' Gesamtspielzeit einmalig festsetzen
    LET videokassette.gesamtspielzeit=gesamtspielzeit
  RETURN
  EXPORT PROCEDURE free
  RETURN
  EXPORT FUNCTION title
    RETURN videokassette.title
  ENDFUNC
  EXPORT FUNCTION film_get(ZAHL filmnummer)
    RETURN videokassette.filmliste.get(filmnummer)
  ENDFUNC
  EXPORT FUNCTION restspielzeit
    RETURN videokassette.gesamtspielzeit - videokassette.bespieltezeit
  ENDFUNC
  EXPORT PROCEDURE title_set(STRING title)
    LET videokassette.title=title
  RETURN
  EXPORT PROCEDURE film_add(FILM new_film)
    @videokassette.filmliste.add(new_film)
  RETURN
  FUNCTION bespieltezeit
    ZAHL  summe
    ZAHL  filmanzahl
    ZAHL  film
    summe := 0
    filmanzahl := videokassette.filmliste.elementanzahl
    FOR film := 1 TO filmanzahl
      summe := summe + videokassette.film_get(film).spielzeit
    NEXT film
    RETURN summe
  ENDFUNC
ENDTYPE

Einmal so definiert, können Objekte diesen Typs angelegt und gelöscht werden. Ferner kann man die abstrakten Attribute benutzen. Man arbeitet dann mit den Objekten vom Typ VIDEOKASSETTE ganz analog wie oben mit ZAHL, STRING und FILM. Ein Bsp.:

VIDEOKASSETTE kassette_1(240)    ! 240 min
VIDEOKASSETTE kassette_2(240)    ! 240 min
VIDEOKASSETTE kassette_3(180)    ! 180 min
FILM nackte_kanone_1("Die nackte Kanone",112)
FILM nackte_kanone_2.5("Die nackte Kanone 2 1/2",129)
FILM nackte_kanone_33.3("Die nackte Kanone 33 1/3",104)
AUSGABE(AUSGABE.SCREEN) bildschirm
'
kassette_1.title_set("Nackte Kanone")
kassette_1.film_add(nackte_kanone_1)
kassette_1.film_add(nackte_kanone_2.5)
kassette_1.film_add(nackte_kanone_33.3)
'
bildschirm.ausgabe(kassette_1.restspielzeit)




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Letzte Aktualisierung am 22. Mai 1999
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